Was macht eigentlich.... der nette Herr von Nebenan?

 


 

Meine Freundin Susanne hat manchmal Pech mit den Männern. Scheinbar trifft sie gern den vermeintlich netten, liebevollen, aufmerksamen Mann, der dann am Ende leider nur ein gelangweilter Fremdgeher ist, der sein Repertoire gut beherrscht.

 

So auch dieses Mal. Dabei fing es wirklich ganz harmlos an...

 

Sie schreibt für eine Zeitung und muss demzufolge häufig zu öffentlichen Terminen, wie Gala, Theater oder dergleichen hin. Dieses Mal stand ein Fest auf dem Programm. Im Vorfeld schrieb sie einer der Organisatoren an, fragte, ob sie Lust hätte, die Preise der Tombola vorab zu fotografieren. Sie fand das ein bisschen seltsam, weil – warum sollte sie Preise ohne Gewinner knipsen? Es schien aber nur der Einstieg zu einem Gespräch zu sein, denn er fragte ein bisschen dies und ein bisschen das. Und sagte, dass er sich freuen würde, sie bei der Veranstaltung persönlich kennenzulernen.

 

Die Veranstaltung kam und man sah sich.  Als sie dann später gemeinsam in der Lounge saßen und über das Fest sprachen, kamen auch ein paar sehr persönliche Themen zur Sprache. Sie gefiel ihm, das machte er schon deutlich und er erzählte viel von sich. Susanne dachte sich, „nutze ich die Gelegenheit und finde seinen Beziehungsstatus heraus“ und sagte, dass seine Frau das bestimmt toll findet, wenn er kocht. Und dann sagte er: „Ich bin nicht verheiratet“ und auf die Frage warum, „hat sich bis jetzt noch nicht ergeben“. Und dann fügte er noch hinzu, dass sie beide ja mal zusammen kochen könnten. Das Thema „Frau“ hat er dann sehr schnell abgehakt.

 

Susanne war überzeugt, der Mann ist Single. Wer würde sonst eine fremde Frau einladen, gemeinsam zu kochen und vorher betonen, er sei nicht verheiratet?

 

Ja, Männer, ich weiß. Bis auf das gemeinsame Kochen war es ja nur eine andere Form der Wahrheit. Männer, gern im Zeitraum über 50 Jahren, gelangweilt vom Ehealltag und in der berühmten Midlifecrisis – merken, langsam werden auch sie älter und dann will man(n) nochmals fühlen, was das Leben zu bieten hat, leiden neuerdings unter einen neuen Krankheit: Beziehungsdemenz. Wenn man „vergisst“, dass man längst in einer Beziehung ist und diesen Zustand damit verschweigt.

 

Susanne und Carsten begegneten sich danach immer mal wieder und nach der nächsten Veranstaltung gab er ihr seine Handynummer, damit man in Kontakt bleiben würde.

 

Drei Wochen später erhielt sie unverhofft eine Nachricht per Whatsapp. Er sei in Hamburg, bei einer Schulung und schickte ihr liebe Grüße und Fotos von sich. Von da an begann ein intensiver Schriftwechsel und jeden Abend um die gleiche Zeit und jeden Morgen direkt nach dem Aufstehen meldete er sich bei ihr: „Guten Morgen, meine xxx“ und „Schlaf gut, meine xxx“. Er schickte ihr Fotos von zu Hause, vom Sport, vom Büro und von überall, wo er war, gab es ein Selfie. Er sagte, er würde viel an sie denken. Und nachts, wenn er nicht schlafen konnte, schickte er ihr auch eine Nachricht.

 

Als er eine Woche im Urlaub war, schickte er Fotos von Sonnenuntergängen und von ihm beim Sport und schrieb ihr, wie schön es doch wäre, wenn sie jetzt bei ihm sein könnte.

 

Sie trafen sich natürlich auch – er fragte, wo sie sei und dann kam er spontan dazu. Es war im Nachhinein eher so, als ob er seine "Koordinaten" durchgeben würde, damit es zu zufällig erscheinenden Treffen kommt. Sie gingen zusammen spazieren, fuhren zusammen mit seinem Auto, sie trafen sich vor seinem Büro und irgendwann auch IN seinem Büro. Sie wusste bald sehr viel von ihm: Von seiner Ausbildung, seinen Eltern, von seinen Hobbies und Interessen, wo er gern mal hinfliegen würde und wo er gern sei. Und er fragte sie auch – was sie mag und was nicht, über ihre berufliche Tätigkeit, ihre Hobbies, wohin sie gern mal verreisen würde, alles das. Er sagte, er wolle sie gern kennenlernen, alles über sie wissen wollen. Sie entdeckten viele Gemeinsamkeiten und hatten sich immer etwas zu sagen. Es war schön und es war besonders. So, als ob sie sich schon lange kennen würden.

 

Nach drei Wochen fragte sie sich allerdings, was wollte er von ihr? Und wo standen sie überhaupt?

 

„Wie geht das weiter?“ Er druckste herum: „Das erzähle ich Dir ein anderes Mal“

 

Kurz danach trafen sie sich dann abends zu einem Gespräch und dieses Mal ließ sie sich nicht abspeisen, sondern sagte, er solle ihr jetzt sagen, was los sei. Und dann kam der magische Satz: „Ich bin nicht so Single wie Du.“  Was ist denn „nicht so Single“?

 

Nun, ihm ist dann wieder eingefallen, dass er zwar NICHT verheiratet ist, aber schon seit vielen Jahren mit einer Frau zusammenlebt und beide ein Kind haben.  So etwas kann einem wohl schon mal „entfallen“. Der arme Mann hat schließlich viel zu tun.

 

In einem späteren Gespräch hat er übrigens diese Geschichte ganz anders wiedergegeben. Da sprach er von: „Du wusstest, worauf Du Dich einlässt. Es war mir ein Bedürfnis, Dir mitzuteilen, dass ich liiert bin.“ Und nein, leider war es ihm ein Bedürfnis, diesen Zustand so lange wie möglich zu verschweigen und erst auf ihr Drängen hin, gab er es preis. Und warum er sich dann umgekehrt auf sie eingelassen hat, wenn er liiert ist, dass wäre ja die nächste Frage.

 

Und dann erzählte er, dass er noch nie eine Frau getroffen habe, die ihn so beeindruckt hätte und sie wäre gar nicht geplant gewesen, natürlich würde er immer mal wieder auf schöne Frauen treffen, aber dann würde er sich selbst sagen, dass er ja in einer Beziehung ist (besser auch, wenn er das der anderen Frau rechtzeitig mitteilt!), aber sie, sie wäre so anders, so besonders. Sie hätte etwas an sich, dass ihn faszinieren würde. Er könne sich ihr nicht entziehen.

 

Das will man vielleicht als Frau hören, besonders, wenn man wie ein angeschossenes Reh Herz blutend neben diesem Mann sitzt, in den man sich mittlerweile verliebt hat. Und bei dem man nun nach jedem Strohhalm greift, um den Schmerz irgendwie zu betäuben. Weil es keinen Sinn ergibt, weil seit Wochen etwas läuft, was gerade zerstört wird.

Vielleicht sucht sich dieser Mann aber auch gezielt Frauen aus, die entweder allein oder in einer lieblosen Beziehung sind und wo er dann den sensiblen aufmerksamen "Retter" geben kann oder aber er sucht sich Frauen, die auffällig sind, um sich selbst zu beweisen, dass er es schafft, diese Frau für sich einzunehmen.

 

Niemals aber, dass er sich tatsächlich spontan verliebt hat. Das klingt natürlich schöner und damit erreicht er letztendlich auch sein Ziel, aber es ist eine Lüge. Und macht ihn damit zu einem Mann, dem die Gefühle anderer Menschen egal sind.

 

Und Susanne hat leider kein Gen in sich, dass ihr den Mut und die Stärke gibt, diesem verlogenen Fremdgeher jetzt einfach "eine zu kleben" und ihres Weges zu gehen.

 

Bei ihm brachen dann alle Dämme und er mimte den Verzweifelten, der einerseits sein Kind nicht verlieren will und andererseits aber sie als Frau nicht aufgeben kann. Genauer, er erzählte, dass seine Frau ihm angedroht habe, dass Kind zu entziehen, wenn er eine andere Frau hätte.

 

Nun ja, so einfach kann man ein Kind nicht entziehen. Die Geschichte klingt schon für meine Ohren mehr als lächerlich. Wie ein Mann, der es sich bequem eingerichtet hat und sein Kind als Vorwand nutzt, um fröhlich die Frau zu betrügen und dann aber den Gewissens Geplagten zu spielen.

 

Und dann ging es weiter....

 Sie redeten zwar immer wieder, aber Susanne war nicht glücklich mit der Situation. Was war sie, zweite Wahl? Die Abwechslung zum Alltag? Ein Pausenfüller? Eine von Vielen? Sie zweifelte an der Geschichte und damit auch an dem Mann.

 

Aber – so oft sie den Kontakt beendete, er ließ sie nicht los. Er schickte SMS, er sagte, dass er sie nicht aufgeben könne und sie so sehr vermissen würde. Und er bat sie immer wieder um ein Gespräch, wo er alles erklären wolle und sie müsse ihm doch bitte glauben.

 

Soviel Aufwand, warum eigentlich?

 

Dann passierten zwei Dinge. Durch Zufall kam das Gespräch auf ihn und ein Kollege erzählte ihr, dass dieser charmante Carsten, der so im Zwiespalt ist, gar nicht mit seiner Lebensgefährtin zusammen sei, also zusammen schon, aber inoffiziell hätte er schon seit Jahren ein intimes Verhältnis mit einer anderen Frau. Die auch immer dann aktiv  ist, wenn er sich irgendwo engagiert. Das sei in der ganzen Stadt bekannt. Immer würden sie zu zweit auftauchen und nicht nur gemeinsam Sport machen. Und ja, dafür gäbe es genug Zeugen, die das bestätigen könnten.

 

Susanne wollte das zuerst nicht glauben. Gerüchte! Aber obwohl Carsten es auch vehement abstritt („Das stimmt einfach nicht. Wir machen zusammen Sport, aber sonst ist da nichts. Die hat einen Freund, der lebt aber in Bremen.) hatte Susanne das Gefühl, ein erstes Puzzlestück zu haben, was zu einem völlig neuen Bild führte.

 

Auf der einen Seite die Frau, auf der anderen Seite die Freundin. Die praktisch überall dort untergebracht wird, wo er auch ist, damit die Treffen einen harmlosen Anstrich bekommen. Beide Frauen traf sie auch auf einer Veranstaltung, wie sie nebeneinander standen. Wie abgebrüht von der Freundin, dachte Susanne im Nachhinein. Scheinbar hat sie Pläne mit Carsten, bei der nicht seine Person, sondern seine Position im Vordergrund stehen.

 

Dann machte sich Susanne die Mühe und googelte im Internet. Und da tauchten viele private Fotos von ihm und der Kollegin auf, aber keine, von ihm und seiner Frau. Schon seltsam. Und dieser ominöse Freund der Kollegin, den hatte auch noch niemand gesehen. Dafür hatte man wohl etwas anderes gesehen. So erzählte man sich. Denn auch da hatte er schon die Idee, seine Verabredungen in Nachbarorten abzuhalten, wo man ihn ja nicht kennt. Dachte er wohl zumindest. Möglicherweise gibt es für alles eine Erklärung. Natürlich stritt er das ab. Die Wahrheit hätte in dem Fall aber wohl nur eine der beiden Frauen liefern können. Denn warum sollte Carsten ihr die Wahrheit sagen? Das entspricht im Nachhinein gesehen doch gar nicht seinem Charakter.

 

Licht ins Dunkel brachte auch ein Bekannter, der sagte, dass die „Ehefrau“ wohl gar kein Thema sei, denn er würde nur allein weggehen und wenn er das Verhältnis habe „mit den Jahren spielt sich das so mit der Familie ein.“ Ach. Die Frau duldet und der Mann hat für beide Frauen gut gesorgt. Eine Art modernes Patchwork? Und ein ganz tolles Vorbild für das Kind. Der Trend geht wohl in gewissen Kreisen zur Zweitfrau...

 

Aus meiner Sicht menschlich ein Versager. Sind Männer so bequem, dass sie beides wollen oder ist das die Feigheit, sich zu trennen? Oder ist die neue Frau doch nicht so interessant, als das man das, was man hat, einfach aufgeben möchte, zumal, wenn es unbequem ist? So lange alle mitspielen läuft es doch.

 

Wenn eine Nebenfrau, auf lange Sicht, die Ehefrau toleriert, dann liegt ihr wenig am Mann. Denn, wer einmal fremdgeht, macht es wieder und eine Frau will doch nicht eine von vielen sein. Es sei denn, sie verfolgt andere Ziele. Und so lange dem Mann das egal ist, und vielen Männern ist es egal, warum eine Frau mit ihnen intim ist, haben beide doch nur Vorteile.

 

Zurück zu Susanne. Ihr gefielen die Geschichten nicht. Es wäre vielleicht okay gewesen, wenn er es zugegeben hätte UND es vor ihrer Zeit und längst abgeschlossen gewesen wäre. Man kann sich alles irgendwie schönreden. Aber was sah er in ihr, was war sie für ihn? Eine von mehreren oder die Alibifrau, um von seiner eigentlichen Affäre abzulenken?

 

Das sagte er ihr nicht. Er sagte stets das gleiche: SIE sei anders, SIE sei besonders, ER sei unerfahren mit der Situation, ER habe nie zuvor seine Frau betrogen, SIE sei die einzige, SIE SIE SIE.

 

Es hätte auch nicht in sein Konzept von dem verliebten Mann gepasst, der „so etwas“ noch nie gemacht hat, darin gänzlich unerfahren ist und sie das doch bitte endlich glauben soll.

 

Denn diese Geschichte, „ich mag Dich so, aber ich kann mein Kind nicht verlieren“, ist doch ein Freibrief: Ich mag Dich, aber wir dürfen nicht. Eine Art modernes „Romeo und Julia“.

 

Und dann versteht die Frau auch, warum alles heimlich sein muss, vorläufig.

 

Liest man sonst nur in Schicksalsromanen, gibt es im Alltag aber leider oft.

 

Die Sache ging weiter, aber Susanne war distanziert. Er war permanent online – bei Whatsapp, bei Facebook. Meine Güte, er schien mit dem Mobiltelefon verwachsen zu sein. Der Mann musste unglaublichen Stress haben. Denn irgendwann merkte Susanne, auch wenn er ihr abends nicht schrieb, er war immer zur selben Zeit online.

 

Und so fragte sie ihn: „Wem schreibst Du eigentlich abends, wem gilt der letzte Gedanke vor dem Einschlafen?“ Eine klare Antwort bekam sie von Carsten jedoch nicht.

 

„Was denkst Du eigentlich? Ich bin in so vielen Whatsappgruppen und natürlich schreibe ich auch mal anderen Frauen, aber nicht so wie mit Dir.“ Ja, wie denn dann? WAS schreibt man(n) abends, vor dem Schlafengehen einer anderen Frau? Und vor allem: warum?

 

Es war ein hin und her. Sie konnte sich nicht lösen, sie war doch verliebt in diesen Mann. Sie verstanden sich gut, es harmonierte. Sie hatten gleiche Interessen, sie hatten immer ein Gesprächsthema, waren sich in vielen Dingen sehr ähnlich. Und, sie dachte, er sei etwas Besonderes.

 

Und warum sollte es einem Menschen, egal ob Mann oder Frau, nicht auch passieren, dass man jemanden trifft, der einen so berührt, auch wenn man anderweitig gebunden ist? Auch das gibt es. Dass sich Gefühle verändern, man jemandem begegnet, der wie ein Seelenpartner ist.

 

Für Susanne war das so. Aber sie spürte, sie glaubte ihm nicht. Zu oft hatte er eine schnelle Ausrede parat, antwortete mit einer Gegenfrage. Auch seine langatmigen Ausführungen waren keine Antwort. Ihr fehlte eine klare Aussage. Und ihr fehlte das Gefühl, was SIE eigentlich für ihn ist.

 

Sie fragte sich auch, was für eine Art von Beziehung er führen würde. Und sie lernte zufällig seine Lebensgefährtin kennen. Vom Typ her sehr kühl und äußerlich farblos. Beide zusammen wirkten eher wie Mutter und Sohn, nicht wie Mann und Frau. Sie hörte auch von seinen Kollegen im Büro, die nebenbei erwähnten, dass diese Beziehung wohl nur offiziellen Charakter hätte, privat würde er längst andere Wege gehen und die Frauen, die ihn am Wochenende im Büro besuchten, die könnten schon ihren eigenen Fanclub gründen.

 

Susanne jedenfalls hielt es irgendwann nicht mehr aus und sie sagte, dass sie das nicht mehr kann. Sie wollte nicht die Frau im Verborgenen sein, deren Regeln allein und ausschließlich von ihm vorgegeben werden. Wann sie sich sehen, wo und wie, dass alles entschied er.  Die ganzen Gespräche, die es gab, führten zu keiner Verbesserung. Sinn macht es doch, wenn man sich ausspricht und sich die Situation verbessert. Vielleicht erwartete Susanne auch nur, dass er sich mehr um sie bemühte, ihr ZEIGTE, was sie ihm bedeutete und sie nicht mit leeren Worten hin hielt.

 

Sie beendete den Kontakt. Obwohl er noch versuchte, sich langatmig zu erklären („Ich hätte so gern Zeit mit Dir verbracht, aber... ich muss soviel arbeiten. Weißt Du eigentlich, wie viel ich arbeite?“) Ja, aber sie sah auch, wie oft er im Urlaub war, beim Fußball, beim Skilaufen, im Café, auf Veranstaltungen, wie oft er online war und wie wenig sie davon hatte. Und bald erkannte sie auch das Muster, welche Art von Frau er ansprach und wie sich deren Kontakt entwickelte. Sie sah, dass sie tatsächlich nur "eine von vielen" war, eine Frau, deren Persönlichkeit ihn weder interessierte, noch berührte. Sie spürte, was das für ein Gefühl war in seiner Nähe, es war eine Oberflächlichkeit, nichts hatte wirklich Tiefgang, nichts schien ihn wirklich zu berühren. Ihm fehlte Mitgefühl und Aufrichtigkeit, Dinge, die für jeden zwischenmenschlichen Kontakt wichtig sind.

Er ging stets den Weg, des geringsten Widerstands.

 

Und nicht nur das. Immer mehr Puzzleteile fanden sich. Da war die Kollegin, die von ihm erzählte, dass das ein offenes Geheimnis in der Firma sei, dass er seine Frauengeschichten habe und man seine Frau schon bemitleiden würde, dass sie das mitmacht. Und dass er jemand sei, der nichts „anbrennen“ lasse und da „aalglatt“ sei. Auch in seinen Lügen.

 

Will ich so ein Muttersöhnchen, der eine Frau zu Hause hat, die ihm nicht die Aufmerksamkeit streitig macht und ihn so leben lässt, wie er will und der sich vermutlich aus fehlendem Ego nebenbei Gespielinnen sucht, denen er Lügen erzählt, weil er nicht mal den „Arsch in der Hose hat“ zu sagen: „Ich will nur eine Affäre – take it or leave it“. Über den sich die Frauen mittlerweile austauschen (es spricht sich herum) und der immer kleiner und farbloser wurde. Wie ein Pfau, der sein Rad zu oft geschlagen hat und damit nicht mehr beeindrucken kann.

 

Und Susanne wollte nicht ebenfalls zu einer grauen Maus werden und Zeit an einen Mann verschwenden, der es nicht wert ist. Und die Frage ist nicht, warum lässt sich eine Singlefrau auf einen liierten Mann ein – sondern die Frage ist, warum lässt sich ein liierter Mann auf eine andere Frau ein? Sie ist ja Single. Und weiß oftmals nicht, woran sie ist, weil es leider immer Männer gibt, die Beziehungsdement sind und vergessen, dass sie längst anderweitig gebunden sind. Und sich erst dann outen, wenn längst Gefühle da sind und man nicht so einfach alles aufgeben kann.

 

So auch Carsten.

 

Aus Sorge, es könnte etwas publik werden, suchte er immer wieder das Gespräch zu ihr. Und erzählte, wieder sehr langatmig, dass er sich halt in sie verliebt habe und wie schwierig die Situation doch für ihn sei. Er würde so gern mehr Zeit mit ihr verbringen, aber…

 

Und diese Pläne, die er machte, dieses „Wir können doch mal….“ Oder auch „Das machen wir mal…“ waren alles nur Hirngespinste, mit denen er sie hin hielt. Wirklich Zeit nahm er sich eben nicht für Susanne.

 

Dann traf sie sich mit einer Bekannten, die ihr bei einem Kaffee erzählte, dass sie einen Mann kennengelernt habe. Über den würde gesagt, er sei zwar liiert, aber gehe meistens allein weg. Und im Laufe des Gespräches fielen so Sätze wie „liiert, aber nicht verheiratet“, „kann sein Kind nicht verlassen“, „sucht Anschluss, spricht viele Frauen an“… und bei Susanne klingelten die Alarmglocken: Das hatte sie alles doch schon mal gehört?

 

Wir sich herausstellte, hatte der nette Carsten mit dieser Masche scheinbar Erfolg. Der arme Mann, unglücklich in der Beziehung, kann aber wegen des Kindes sich nicht trennen, Frau droht ihm, ihm das Kind zu entziehen, wenn er sich trennt, was sollte er also tun?

 

Und wenn alle Frauen es vertraulich behandeln, weil sie denken, SIE sind die Einzige, dann bleibt das Geheimnis auch geheim.

 

Eben so lange, bis mal zufällig zwei Frauen aufeinandertreffen und sich unterhalten.

 

Susanne konfrontierte ihn auch mit dieser Geschichte, die er jedoch als völlig erfunden abtat. Auch seine Affäre mit der Kollegin verwies er in das Reich der Märchen „Eine Geschichte wird nicht dadurch wahrer, dass man sie ständig wiederholt“.

 

Nein, Carsten. Aber eine Wahrheit wird nicht dadurch zur Lüge, indem man sie ständig abstreitet.

 

Und wo Rauch ist, ist auch Feuer. So viele Leute werden sich nicht die Mühe machen, Geschichten aus Neid oder Missgunst zu erfinden, wenn sich das Gros der Geschichte bei allen Berichten ähnelt.

 

Mit der Wahrheit rückte er nur so weit heraus, wie er sich verpflichtet fühlte, es tun zu müssen.

 

Und scheinbar fühlte er sich damit ziemlich sicher.

 

So lange keine Frau etwas publik macht, passiert ihm nichts.

 

Komisch fand Susanne es allerdings, dass er so nervös wurde, als sie laut überlegte, sich vielleicht mal direkt an seine nette Kollegin zu wenden. Da wurde er sogar ausgesprochen nervös und ziemlich blass.

 

Was, wenn diese Kollegin gar nicht wusste, in was für netter Damengesellschaft sie sich befand? Was, wenn dieser Carsten so mehrgleisig fuhr, dass sein Chef sicherlich beglückt gewesen wäre, hätte er diese Zeit und Energie in seine Arbeit gesteckt – der Mann wäre beruflich zu Höchstleistungen fähig!

 

Und Susanne recherchierte. Diese Ungewissheit, was stimmt wirklich, was war oder bin ich für den anderen und was darf ich davon überhaupt glauben, ist das, was verletzt. Wo man sich als Frau selbst in Frage stellt. Wenn ich mich als Frau nicht auf einen Mann einlassen, ihm nichts glauben darf, weil es sowieso eine Lüge ist, dann verliere ich die Neugier und das Vertrauen. Warum ist es für viele Männer so ein Vergnügen mit den Gefühlen von Frauen zu spielen?

 

Und dann sprach ich mit einem Bekannten, der sagte, wenn eine Frau sich schick kleidet und gern zeigt, dass sie zum Beispiel eine gute Figur hat, er erwähnte auch ein Fußkettchen oder ein Piercing, dann muss sie sich nicht wundern, wenn Männer DIES als Zustimmung zu einem entspannten Beischlaf ansehen und dafür auch ihren Beziehungsstatus verbergen.

 

Und – im Gegenzug – ihre eigene Frau betrügen und belügen und dass ist völlig okay. Weil? Männer sind so? Handeln aus niederen Instinkten?

 

Wir regen uns darüber auf, dass im 21. Jahrhundert Männer ihre Frauen zwingen, sich zu verhüllen, alle unverhüllten Frauen gelten dort als „Schlampen“.

 

Aber andererseits finden diese entrüsteten Männer, dass Frauen, sie sich gut kleiden, Make-up benutzen, Fußkettchen tragen oder eine gute Figur haben, dass DAS ein ZEICHEN und sogar eine AUFFORDERUNG ist, sie als „Freiwild“, als willig und es wert, belogen zu werden, zu betrachten?

 

Frauen dürfen also despektierlich behandelt werden? Der „arme“ Mann konnte ja gar nicht anders?

 

Die Debatte #metoo – in der es darum geht, dass Frauen benutzt werden, bezieht sich nicht allein darauf, dass Männer Frauen sexuell erpressen, sondern auch darauf, wie respektlos Männer mit Frauen umgehen. Wie sie belogen und betrogen werden, wie man sexistische Anspielungen macht, um sie klein zu halten, wie man sie beleidigt und sie und ihre Tätigkeit abwertet, um sich als Mann stark und überlegen zu fühlen.

 

Wie oft hört man: „Das war doch nett gemeint, das war doch ein Kompliment“, wenn ein Mann einer Frau gegenüber sexuelle Anspielungen macht.

 

Wie oft wird eine Frau betatscht und angefasst ohne ihre Zustimmung. Und es ist als „Kompliment“ gemeint.

 

Will man in einer beruflichen Position von einem Mann ernst genommen werden, muss man seine Weiblichkeit verbergen. Männer reagieren sehr jovial, wenn Frauen in hohen Positionen arbeiten. Wie viele gutaussehende Politikerinnen gibt es? Die sich figurbetont kleiden, die nicht ein Stück weit männlich agieren, um anerkannt zu werden?

 

Wenn eine Frau fremdgeht, wird sie öffentlich gesteinigt. Bei einem Mann ist das schon nichts besonderes.

 

Ab einem gewissen Alter suchen viele Männer Abwechslung in ihrem Beziehungsleben. Ohne, dass es Nachteile, privater oder beruflicher Art, hat.

 

Männer trennen sich erst, wenn sie etwas neues haben. Frauen versuchen, Probleme anzusprechen und nach Lösungen zu suchen. Für viele Männer ist die Lösung eine andere Frau, auch, wenn es nur vorübergehend ist.

 

Würden Männer auch so handeln und denken, wenn es sich um die eigene Tochter handelt? Oder Schwester? Bei FRAU wäre ich ja nicht so sicher, scheinbar ist die eigene Frau nicht besonders wichtig, eher zweckgebunden.

 

Susanne wird damit leben müssen, dass sie einem Mann Vertrauen geschenkt hat, der charakterlich so schwach ist, dass er es nicht verdient hat. Und der menschlich untragbar und verachtenswert ist. Der feige und zudem ein schlechtes Vorbild ist.

 

Den Fehler, den sie sich vorhalten kann, ist, dass sie zu lange IHM und nicht ihren eigenen Gefühlen vertraut hat. Eine Bekannte sagte in dem Zusammenhang, es ist nicht das komische Gefühl, dass etwas nicht stimmt, was es ausmacht, sondern es sind die vielen Zeichen, die man als Frau nicht sehen will, wenn man verliebt ist und vertraut.

 

 

Weil man das Gute im anderen sieht. Und weil man jemandem, den man liebt, nicht so etwas schlechtes zutrauen würde. Besonders nicht, dass derjenige einen bewusst belügt und verletzt, zum eigenen Vorteil.

 

 

Und genau so ist es wohl. Eines Tages wird es vielleicht nur noch Frauen geben, die Männer benutzen, weil sie festgestellt haben, dass es sich nicht lohnt, Gefühle zu entwickeln, die am Ende nicht gewürdigt werden. Und dann Männer, jammert nicht, dass die bösen Frauen euch nur benutzen.

 

 

Wir lernen von euch. Ihr seid die besten Vorbilder.

 

(Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Es kann natürlich sein, dass sich der eine oder andere Mann wiedererkennt. Denn solche Geschichten passieren tagtäglich. In dem Fall, versuchen Sie es doch einfach mal mit Ehrlichkeit und schauen Sie, wie weit Sie damit kommen. Fairplay gilt nicht nur im Sport, sondern auch im täglichen Umgang mit anderen Menschen.)