Der Wichser

 

 

Sagt man das heute noch zu einem total bekloppten von sich überzeugten bescheuerten männlichen Typen? Oder ist das sehr 80er? Was sagt man heute? Ich habe mal herumgefragt. In sind “Opfer”, “Null”, “Sackpenner”.

 

Also Opfer – das klingt sehr assi. Hört sich an, als ob ein (sorry) geistig unterversorgter dreimal achte Klasse sitzengebliebener Proll sich artikuliert. Wer das sagt, outet sich doch selbst als Opfer, nämlich ein Opfer des Duden, den er wohl öfter mal bemühen sollte, um sein Sprachangebot aufzuwerten. Nein, Opfer geht nicht. Und Null? Sag ich ja auch gern mal bei anderen Gelegenheiten, aber nicht als reine Bezeichnung für einen Typen. Und Sackpenner ist etwas anderes.

 

Ein Mann, der eine Frau schlecht behandelt ist ein Sackpenner. Ein Fremdgänger ist definitiv ein Sackpenner. Männer, die feige sind sind Sackpenner. Also, ein Sackpenner ist schon ein anderes Kaliber.

 

Was ist mit den Typen, die einem so im Alltag begegnen und sich total scheiße verhalten? Die man am liebsten auf den Mond schießen würde?

 

So wie diese „Blindschleiche“, dir mir begegnet ist.

 

Ich bin – was Autofahren betrifft – schon sehr versiert. Ich hab keine Angst vor engen Parklücken, ich quetsche mich durch schmale Durchfahrten und finde noch im vollbesetzten Parkhaus ein Eckchen für mein Auto.

 

Einziges Manko zugegeben sind Autobahnen. Stupides Geradeaus rasen, immer auf dem Schirm evtl. die nächste Ausfahrt zu verpassen oder stundenlang im Stau zu stehen sind echt nicht mein Ding. So schleiche ich gern mit 80 neben dem Standstreifen – zur Freude der LKW Fahrer – umher. So lange es eine Chance gibt per Landstraße den Weg zu finden, wähle ich gern die Ausweichstrecke. Und obwohl ich ein Navigationsgerät besitze, verfahre ich mich gern mal. Aber im normalen Stadtverkehr bin ich top. Und ich kann da schon echt angepi… also etwas echauffiert sein, wenn mir so ein Vollhonk die Vorfahrt nimmt. Muss noch etwas dran arbeiten, zu HUPEN, anstatt doof herumzuschreien, was ja nun wenig beeindruckend ist. Aber okay.

 

So geschehen gestern. Ich fahre eine enge Schlängelstraße durch die Innenstadt. Kopfsteinpflaster ohne Fahrbahnbegrenzung. Einzige Hindernisse sind die parkenden Autos – in meinem Fall auf der Gegenseite. Und so ziemlich am Ende, kurz bevor die Straße sich erweitert, kommt so ein Typ in einem Protzsiebensitzer und nimmt mir die Vorfahrt, quetscht sich in die Straße rein und ignoriert, dass die Hindernisse auf seiner Seite sind und er einfach keinen Mini fährt, so dass es eng wird.

 

Ihm ist dann aufgefallen, dass ich ja auch noch da bin. Blödmann! Er muss dann gemerkt haben, dass ich mich nicht ängstlich nach rechts ins Aus verschlagen habe, sondern anhielt. Um zu betonen, dass er der Boss ist ,fährt er noch ein Stück weiter. So stehen wir uns schräg gegenüber und er wird gesehen haben, dass er leider nicht mit seiner Monsterkiste an mir vorbeikommt.

 

Solche Typen sind alles – doof, borniert, ignorant, eigensinnig, selbstgefällig und nicht darauf gefasst, dass es mal nicht nach ihrem Willen geht.

 

So standen wir also beide da: Er saß mit verspiegelter Sonnenbrille und Basecap (Glatze?) hinterm Lenkrad und ich mit riesiger Sonnenbrille bei mir.

 

Nachdem er keinerlei Anstalten machte ein Stück zurückzufahren (wäre vermutlich mit seinem Ego kollidiert) und es so aussah, als würde sich die Sache noch etwas hinziehen, beschloss ich, erst mal meine Mails zu checken. Smartphone sei Dank geht das ja praktisch von Überall her. Auf Facebook war nichts besonderes los und nur bei Whatsapp tummelten sich ein paar Mädels, denen ich kurz mitteilte, dass ich im Stau steckte. Diesmal sogar ganz vorn – ich WAR nämlich sozusagen der Stau. Wenngleich nicht ganz freiwillig. Schließlich war da ja der Koloss von Rhodos vor mir, der so aussah, als würde er am liebsten mit seinem Hobel gegen mein schönes Auto krachen, um das lästige Hindernis zu beseitigen.

 

Ich beschloss ihm einen kleinen Wink zu geben und ließ die Scheibe runter: “Verzeihen Sie, könnten Sie freundlicherweise ein Stück zurückfahren, damit ich meinen Weg fortsetzen kann?” Ich fand, das war extremst höflich und gab ihm die Chance, lässig als Kavalier (und weil ich verdammt nochmal im Recht war!!!) seinen Rückzug anzutreten.

 

Aber nein. Der gnädige Herr verstand den freundlichen Hilferuf einer Dame am Steuer nicht, sondern hatte – vielleicht dank fehlender guter Kinderstube – seine Manieren in Prollhausen vergessen und sagte nunmehr seinerseits: “Ey, Du doofe Kuh, fahr Deine scheiß Karre weg! ICH habe Vorfahrt, dass sieht man(n?) doch!! Ich habe GANZ KLAR Vorfahrt!” Nee, schon klar. Wer das Hindernis auf seiner Seite hat, hat natürlich Vorfahrt! Oder wer einen Dödel in der Hose hat. Der hat auch Vorfahrt. Oder wer das größere Auto hat.

 

Wir spielen nur leider kein Autoquartett, sondern haben doch wohl beide irgendwann mal den Führerschein gemacht. Glaube nicht, dass sich die Verkehrsregeln seitdem so gravierend geändert haben.

 

Auch seine Wortwahl war schon ein Zeichen dafür, dass er wenig hielt von Höflichkeit und “wie benehme ich mich, wenn ich mit anderen Menschen (auch Frauen!!) zusammentreffe”.

 

Er fuhr noch ein winziges Stückchen vor, aber das verkeilte uns nur noch mehr.

 

Okay, er legte verbal noch eins drauf: “EY, da komm ich mit 'nem PANZER durch!! FAHR ENDLICH!!”

 

Ich meinte freundlich: “Dann fahren SIE doch, wenn Sie soviel Platz haben.”

 

Konnte er aber nicht, es sei denn, er wollte den Wagen auf der anderen Seite touchieren oder seinem eigenen Protzhobel einen Rallyestreifen zufügen. Wollte er aber wohl doch nicht.

 

Langsam bekamen wir Zuschauer. Direkt hinter mir war schon eine Schlange von mindestens fünf Fahrzeugen, zumindest soweit ich das im Rückspiegel erkennen konnte und hinter ihm begannen die Autos auch schon zu wenden, weil sie einsahen, dass es wohl doch noch etwas dauern könnte.

 

Ja, das sah ich auch so. Schwieriger Fall.

 

Jetzt bekam er in seinem Auto noch das, was einem Mann die letzten Testosteronschübe versetzt: männliche Zuschauer!! Die wohlgemeinte Ratschläge verteilten. Sie begannen mit “Lass doch die Frau mal durch. Sei nicht so” über “Kann die Alte nicht fahren?” (okay, damit war wohl ich gemeint) bis hin zu “Sollen wir schieben helfen?”

 

Richtig angenehm war es nicht. Ich war aber nicht bereit, mich mit meinem Auto an seinem entlangzuwinden (zurück konnte ICH jedenfalls nicht, es sei denn, die Kolonne hinter mir hätte denselben Plan) und mir womöglich noch eine Macke in den Lack zu fahren oder schöner noch: IHM zu einer Neulackierung zu verhelfen, wenn ich seine Schüssel berührte. Und dann noch mit Hohn und Spott – von wegen: Frau am Steuer!!

 

Er fuhr ja selbst nicht vorwärts, weil er sah, dass es dann unweigerlich zu einem Kratzer kommen würde.

 

Ich hatte zugegeben alternativ die Möglichkeit, ganz nach rechts zwischen die Blumenkübel zu fahren. Aber das hatte ich vor Jahren netterweise mal gemacht und mein schöner Audi hatte danach einen tollen Lackschaden. Wohingegen das Gegenüber (nicht vorfahrtsberechtigt) mir dankbar zuwinkend davon fuhr. Also das bitte nicht wieder!

 

Monsieur Großmaul kochte derweil in seinem Auto vor sich hin. Er versuchte noch ein wenig, mit netten Komplimenten mir das Ausweichmanöver schmackhaft zu machen: “DU DOOFE KUH!!! DU KANNST NICHT AUTOFAHREN!! ICH HAB NOCH KEINE FRAU GESEHEN DIE SO DOOF FÄHRT WIE DU!!”

 

Abgesehen davon, dass er mich ja noch nicht mal fahren gesehen hatte, fand ich sein Duzen schon etwas sehr vertraulich. Ich glaube auch, in seinem Satz steckte einiges an Wahrheit, wenngleich auch versteckt: Denn so ein Typ hat bestimmt lange keine Frau mehr gesehen, egal ob fahrend oder nicht!

 

Man könnte sogar vom Auto auf den Mann schließen: Ist es nicht so, dass besonders Männer mit kleinem Dödel eher große Autos fahren? Oder warum nennt man große Autos auch Potenzschleudern?Aus eigener Erfahrung (rein subjektiv gesehen) kann ich das bestätigen. Je kleiner der Penis, desto größer das Auto. Und desto größer scheinbar auch die Klappe.

 

Dem möchte ich zu Hause auch nicht begegnen. Choleriker! Bah, was ne fiese Möpp!

 

Aber gut, er wollte das “Du”: “Hey, Du weißt gar nicht, was ich alles kann! Im Gegensatz zu Dir kann ich zum Beispiel prima warten!” und mit diesen Worten packte ich eine Banane aus und begann sie zu schälen und dann genüsslich hinein zubeißen (aufgrund meiner Kinder hab ich meistens Verpflegung an Bord).

 

So eine Banane ist doch ein Phallussymbol, scheinbar hatten wir beide ähnliche Gedanken. Denn das Großmaul wurde langsam mürbe. Ich hab dann noch den Motor ausgeschaltet und das Radio angestellt. Seine wütende sich überschlagende Stimme hab ich so zumindest ausblenden können.

 

Es dauerte auch nur noch so ca. zwei Minuten und ein schönes Hupkonzert von beiden Seiten bis er (fluchend natürlich!) sich entschloss zurückzusetzen und mich durchzulassen (na ja MICH und die Kolonne hinter mir). Ich startete also meinen Wagen, legte die restliche Banane samt Schale auf den Sitz und fuhr langsam an ihm vorbei.

 

Zum Abschied hab ich ihm noch alles Gute (“Warum nicht gleich so, Du Arsch?”) gewünscht und ihm nett mit der Hand „gewunken“ (oder so….)

 

Innerlich fand ich mich in meiner Heimsauna wieder, weil mich das natürlich aufgeregt hat. Recht haben und Recht bekommen sind ja immer zwei Paar Schuhe. Aber ich muss als Frau nicht immer nachgeben, nur weil ein Mann meint, er hat grundsätzlich recht. Was aber ist nun dieser Typ? Ein Arsch?

 

Na schon, aber irgendwie doch ein Wichser. Zumindest haben das die Mädels aus der Gruppe so beschlossen.

 

Deshalb hier also die Geschichte von, über und für alle Wichser auf den Straßen!