Das Leben ist endlich.....

 

 

Aus besonderem Anlass schreibe ich hier nun über etwas, was in den letzten Tagen und Monaten so aktuell geworden ist....

 

In jedem Leben kommt man irgendwann an einen Punkt, an dem alles sinnlos und unnütz erscheint. Dinge, die mit etwas Abstand betrachtet, einen Lösungsweg finden würden oder die nicht so schwarz und bitter sind, wie sie gerade erscheinen, werden zu einem unlösbaren Problem, erdrücken die Seele und machen hilflos. Besonders schwer trifft es, wenn man in einer Situation ist, die einen schwächt und die letzten Energien abverlangt. Dann und besonders dann, kommt der Gedanke an die Beendigung all dieses Schweren und scheinbar Unlösbarem.

 

Es kann jeden treffen. Niemand kann davon gefeit sein. Es gibt aber Phasen im Leben, die besonders anfällig dafür machen.

 

Es betrifft besonders diejenigen unter uns, die noch in der Entwicklung sind, die auf dem Weg sind vom Kind zum Erwachsenen, und die in der Flut von Emotionen und körperlichen Veränderungen, oftmals stranden an den täglichen Anforderungen, an dem Druck, der durch Schule, Familie und Freunde auf ihnen lastet. Da ist ein Gefühl von Ohnmacht, von Aggression und besonders von einer Hilflosigkeit. Jeder macht es auf seine Art.... und doch ist dies der Schritt auf dem Weg, ein erwachsener Mensch zu werden. Um den Weitblick für zukünftige Entscheidungen zu erlangen, um Herz und Verstand möglichst ausgeglichen zu halten, um zu wissen, dass man aus dem tiefen Loch auch wieder ins Tageslicht treten wird und das auch eine finstere Nacht wieder einen neuen Morgen hervorbringt und dass es sich lohnt, darauf zu vertrauen...

 

Und doch...

 

Kannst Du in dem Alter von 14 ,15 ,16,.... das schon überblicken? Genügt nicht da ein besonderes Lied oder ein unbedachtes Wort, Streit mit der besten Freundin/dem besten Freund, eine gefühlte Ungerechtigkeit zu Hause, schlechte Noten, Streit, Mobbing, fehlende Perspektiven, um eine weitreichende Entscheidung zu treffen? Um zu sagen, bis hierhin und nicht weiter?

 

Wenn das Gefühl, ich habe das Leben in der Hand, so übermächtig wird, dass es als Lösung für all diese Probleme erscheint?

 

Wenn der einzige Trost zu sein scheint, das Leben zu beenden?

 

Wie lange geht dieser Gedanke durch den Kopf eines Menschen, bevor er reift und irgendwann so übermächtig und stark wird, dass er alle Ängste und Hemmungen überwindet und eine trügerische Leichtigkeit gewinnt?

 

Was kann man als Eltern, als Lehrer, als Freunde, als Außenstehende tun? Wie kann man es erkennen, wie und wann kann man helfen?

 

Forciert man den Gedanken? Verleiht man durch Fragen den endgültigen Stoß, der nötig ist, um es auszuführen? 

 

In den letzten Monaten ist diese Frage so aktuell geworden. Es gab zwei Unglücksfälle in der Schule. Das trifft einen sehr. Es macht wütend, es bestürzt, es macht so hilflos. Man steht außen vor und kann nichts tun. Es ist zu spät. Und doch stellt sich die Frage, was und warum? Warum jetzt? Was war der Auslöser? Gab es Anzeichen? Hätte man etwas tun können? Etwas sagen? Wer hätte etwas tun können?

 

Ich glaube, dass so ein verzweifeltes pubertätsgeplagtes Kind gar nicht überblickt, wie hoch der Preis es, den es gerade bereit ist zu bezahlen. Es ist nicht nur für den Moment, es ist nicht als Bestrafung für ungerechte Noten, für Streit mit den Eltern, für Mobbing, für Streit mit den besten Freunden, für eine unglückliche Liebe, für ein gebrochenes Herz, für eine derzeitige Sinnlosigkeit,.... Dieses Gefühl, es hat keinen Sinn. Aber damit setze ich ein Zeichen. Sie werden trauern, sie werden weinen, sie werden bereuen und ich bin dann weit weg und habe damit nichts mehr zu tun. Ich hinterlasse sie mit ihren Fragen und ihrer Trauer und sie können nichts tun. Ich bin dann frei...

 Das könnten Gedanken sein, die durch den Kopf gehen. Aber alles dieses betrifft nur den Moment. Für diesen einen Moment ist man also bereit, das ganze Leben wegzuwerfen.

 

Ist es das?

 

Sie können nicht überblicken, dass für den Moment der Genugtuung, für den Moment der Trauer, des Schmerzes der Preis zu hoch ist. Sie nehmen sich alles. Die Chance, erwachsen zu sein, eigene Entscheidungen treffen zu können, zu leben, die Welt zu erkunden, zu reisen, eigene Wohnung, ein eigenes Auto, eine funktionierende Beziehung, geliebt zu werden, nach einem Fall wieder aufzustehen und zu fühlen, wie es ist, wenn der Schmerz vergeht und man wieder lachen, sich wieder freuen kann, wenn man zurückblickt und denkt: so schlimm war es doch gar nicht! Ich hab es geschafft, ich hab mich selbst überwunden! Ich bin STARK!
Und ich lasse mich von niemandem daran hindern. Ich gebe niemandem die Macht über mich. Sollen sie reden, sollen sie machen, was sie wollen, ich bin stärker als das. Ich finde einen Weg und dieser Weg hat immer mit dem Leben zu tun, mit der Zukunft und damit, dass ich vielleicht den schweren Weg gehen muss, aber ich lasse mich von nichts und niemandem aus meinem eigenen Leben vertreiben.

 

Ich kann alles schaffen, wenn ich es will...


Sie nehmen sich sonst die Chance, über diese Phase der Verzweiflung hinwegzukommen. Sie nehmen sich die Hoffnung auf etwas besseres. Für den kurzen Moment des vermeintlichen Ruhms, des Triumpfes über die Ungerechtigkeiten töten sie den langen Moment des Überwindens von Angst, Trauer und Mutlosigkeit. Sie bezahlen einen Preis, der viel zu hoch ist und sie sehen es nicht, weil sie es noch nicht sehen können.

 

Es tut mir so leid für die beiden Menschenkinder, die ihr Leben so weggeworfen haben, so scheinbar bewusst und doch ohne zu wissen, dass es immer ein Morgen und immer eine neue Hoffnung gibt.

 

Es tut mir so leid für die Eltern, die ihr Kind verloren haben. Die hilflos zurückbleiben und bis an ihr Lebensende mit der Frage leben müssen: Warum?

 

Für die Freunde, die verunsichert und hilflos zurückbleiben. Für die Familien, die Schulen, die Menschen, die nicht helfen konnten, weil sie nicht wussten, wann es notwendig ist.

 

Was kann man denjenigen anbieten, die in so einer großen Not sind? Was hilft einem verzweifelten Herz, dass keinen anderen Ausweg mehr sehen will? Dass so entschlossen diesen Weg gehen will?

Vielleicht gab es Zeichen und die wurden nicht gesehen? Vielleicht war das ein Spiel, das nicht wirklich ernst gemeint war. Veilelicht war da eine Sensibilität, die alle unterschätzt haben.

 

Ich sage, es ist ein Mord, egal ob an einem Fremden oder an einem selbst - es ist ein Mord und niemand hat das Recht dazu. Ich weiss nicht, was die Schulen oder Eltern besser machen könnten. Ich glaube, dass es trotz Internet und dergleichen zu viele Menschen gibt, die einfach nur einsam sind und verzweifelt und dass die vermeintliche Nähe nur eine Blase von Belanglosigkeiten ist. Wir alle glauben vielleicht, je mehr wir uns miteinander vernetzen und und jederzeit von überall her austauschen und kontakten können, sind wir uns nahe. Doch in Wahrheit sind wir alle heutzutage viel mehr allein und einsam, als es die Menschen früher jemals gewesen sind. Das Internet ist ein emotionsloses leeres Gehäuse, was nur "lebt" durch die armen Seelen, die darin ihre vermeintlichen Freundschaften celebrieren. Außerhalb dieses www findet das wahre Leben statt. aber die Grenzen sind sehr verschwommen.

Und wenn wir uns mehr darauf konzentrieren, was das Internet so Neues an Infos bietet, übersehen wir vielleicht, dass der Mensch nebenan Hilfe braucht und das wir da nicht mit einem "gefällt mir" Button von wegkommen. Sondern das wir als Mensch gefragt sind. Und vielleicht haben wir auch verlernt, um Hilfe zu bitten, weil wir wollen, dass man es erkennt, dass man uns erkennt.

 

Es bleiben Fragen zurück und niemand kann mehr helfen, es ist unwiderruflich vorbei.

 

Ich wünschte so sehr, dass all diese verzweifelten Menschenkinder eine Möglichkeit finden, dass sich ihnen die Augen öffnen, wenn sie am Absprung stehen, dass sie sehen, wie endgültig und unwiderruflich die Entscheidung ist. WAS sie alles aufgeben, durch den Moment, in dem sie denken, es geht nicht mehr weiter. In dem sie sich selbst alles nehmen. Und niemand hat das Recht dazu ein Leben zu beenden. Weder das, eines anderen, noch das eigene. Niemand. Und auch die Entscheidung über das Ende des eigenen Lebens liegt nicht in Deiner Hand. Es steht Dir einfach nicht zu. Es steht niemandem zu so etwas zu tun.

 

All den betroffenen Eltern, Lehrern, Mitschülern - vielleicht brauchen wir mehr Bilder von Menschen, die leben WOLLEN und nicht dürfen, weil sie krank sind und es keine Hoffnung mehr gibt. Weil sie sterben müssen und so gern leben möchten. Vielleicht helfen diese Bilder begreiflich zu machen, dass jedes Leben zeitlich begrenzt und ENDLICH ist. Es abzukürzen ist eine Verschwendung, eine Sinnlosigkeit, die man nicht rechtfertigen und entschuldigen kann.

 

Vielleicht müssen wir aber auch das eigene Verhalten überdenken: wie gehen wir miteinander um? Vielleicht fehlt es - gerade der jungen Internetgeneration in Zeiten von Facebook und Whatsapp, wo man mit Fotos und Aussagen andere bloßstellen und beleidigen, verletzen kann - einfach auch an Ethik, an Taktgefühl, an Mitgefühl, an der eigenen Reflektion (wie wäre es, wenn das mit MIR jemand machen würde?)? Nicht jeder, der nach außen hin selbstsicher wirkt, ist es auch im Inneren.

 

So ein Fall wirft immer viele Fragen auf. Und spätestens jetzt ist es an der Zeit zu gucken, was kann man tun - schnell, unbürokratisch, menschlich.

 

Und deshalb besonders hier für all die jungen Menschen, die ihre Sorgen und Nöte haben:

 

Lass es nicht zu, dass Du aus dem Gefühl heraus eine Entscheidung triffst, die so viele Menschen innerlich tötet, denn niemand, der einmal mit Dir in Kontakt gewesen ist, wird davon unberührt bleiben und Du zerstörst so vieles und das alles, ohne dass Du etwas von der vermeintlichen Genugtuung hast. Versuch auszuhalten, versuch eine Lösung zu finden, such Dir Hilfe, such Dir jemanden zum Reden, halte aus - gib Dich niemals auf!

 

Nichts wird so schlimm sein, als dass es das wert ist.

 

Anlaufstellen sind zum Beispiel Lehrer, es gibt sicherlich mindestens einen einzigen Lehrer unter all den Pädagogen, der menschlich genug erscheint, dass Du Dich anvertrauen kannst!

Es gibt sehr gute Mitglieder der Kirche, sehr einfühlsame und menschliche Pastoren, die zuhören und die keinen erhobenen Zeigefinger haben, sondern versuchen werden, Dich zu verstehen, weil es das ist, was Dir am meisten helfen wird - dass jemand dort ist, der Dich einfach nur versteht und wertschätzen kann.

 

Es gibt Freunde, manchmal sogar die, die Du zuerst gar nicht auf dem Schirm hattest, es gibt Anlaufstellen, wie das Sorgentelefon, wo Du anonym reden kannst. Manchmal hilft es, etwas zu hören, was den Schmerz im inneren löst und Dir den Mut nimmt, so etwas zu tun.

 

Gib Dich nicht auf. Du bist zu wertwoll und ein wichtiger Mensch in diesem DEINEM Leben.

 

Gib Dich nicht auf.

 

In Erinnerung an Jana und Luke.